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Wirkt sich das politische Durcheinander auf Ihre Geldanlage aus?

von | 10.07.2016

„Es wird voraussichtlich eine sehr unruhige Woche für die globalen
Finanzmärkte werden, da Händler über das relative Abschneiden der
US-Präsidentschaftskandidaten grübeln. Ohne einen klaren Favoriten
ist es jedoch unwahrscheinlich, dass der US-Aktienmarkt eine eindeutige
Richtung einschlagen wird, bevor der Sieger feststeht.“
Kommt Ihnen das bekannt vor? Diese Zeile aus einem Artikel der Reuters-Nachrichtenagentur wurde in Zeitungen auf der ganzen Welt veröffentlicht. Letzte
Woche? Letzten Monat? Nein – dieser Artikel erschien bereits im September 1988 und behandelte die Debatten zwischen George Bush und Michael Dukakis in jenem Jahr.
Wie auch im diesjährigen Wahlkampf 2016 traten damals zwei neue Bewerber für das höchste Amt gegeneinander an, da Präsident Ronald Reagan dem Ende seiner zweiten
Amtszeit entgegensah und nicht zur Wiederwahl stand. Zu Beginn des Jahres 1988 sprachen Umfragen der New York Times und CBS News von einer politischen
Stimmung der „Abweichung und Ungewissheit“.
Dies soll nicht heißen, dass jeder Wahlkampf gleich ist. Es weist lediglich darauf hin, dass die Finanzmärkte regelmäßig durch politische Ungewissheiten steuern. In Hinblick auf sogenannte vermeintliche „Muster“ in diesen Wahljahren zeigen Analysen jedoch, dass die
12-Monats-Ergebnisse der Wahljahre den allgemeinen Durchschnittswerten erstaunlich ähnlich sind.
Natürlich werden in diesem Jahr nicht nur in den USA nationale Wahlen oder Referenden abgehalten. Auch in Australien wetteifern zwei Parteivorsitzende um die Mehrheit im Unterhaus, die auch beide keine Erfahrung in der Leitung eines Wahlkampfes besitzen.
Meinungsforschern zufolge läuft es auch hier auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hinaus, dessen Ausgang im Moment noch vollkommen offen ist. Der derzeitige australische Premierminister Malcolm Turnbull, Vorsitzender der National-Liberalen Koalition, und Bill Shorten, Vorsitzender der oppositionellen Labor Party, vertreten zwei vollkommen entgegengesetzte
Standpunkte – Turnbull verspricht eine Senkung der Körperschaftssteuer, während Shorten auf höhere Ausgaben in den Bereichen Gesundheit und Bildung setzt.
Auf den Philippinen hat ein neuer Präsident und selbsterklärter „Muskelmann“, Rodrigo Duterte, die Macht übernommen. Er will auf außergerichtliche Hinrichtungen zurückgreifen, um die Kriminalität und den Drogenhandel auszurotten.
In Großbritannien stimmte die Bevölkerung am 23. Juni in einem Referendum über den Verbleib des Landes in der Europäischen Union ab. Die britische konservative
Regierung hatte die Wähler vor einer möglichen Rezession im Falle eines „Brexits“ gewarnt.
Doch was bedeuten all diese Ereignisse für die Aktienmärkte, Staatsanleihen, Rohstoffe oder
Währungen? Diese Arten von Fragen werden derzeit sehr intensiv in den Finanzmedien behandelt, was unweigerlich zu großen Meinungsverschiedenheiten der
unterschiedlichen Marktbeobachter führt.
 
Viele Anleger haben ein ausgeprägtes Interesse an politischen Entwicklungen und Ergebnissen. Dennoch weisen akademische Untersuchungen kaum ein erkennbares Muster in den tatsächlichen Marktrenditen in US-Präsidentschaftswahljahren auf.
Abbildung 1 zeigt die Wertentwicklung des S&P 500 in den 21 US-Präsidentschafts- wahljahren bis ins Jahr 1928 zurück. Es ist erkennbar, dass in drei dieser Jahre der Markt zurückging und in den restlichen 18 Jahren stieg.
 
 
In Wahrheit ist diese Stichprobengröße jedoch zu klein, um endgültige Schlussfolgerungen ziehen zu können. Außerdem ist es fast unmöglich, den Einfluss politischer Ereignisse aus anderen Einflüssen herauszufiltern, die auf die Finanzmärkte einwirken.
So lieferte zum Beispiel das Jahr 2008 das schlechteste Jahresergebnis aller US-Präsidentschaftswahljahre in diesem Beispiel. In diesem Jahr besiegte der
Herausforderer der Demokraten, Barack Obama, den republikanischen Kandidaten John McCain. Doch Sie erinnern sich mit Sicherheit auch noch daran, dass dieses Jahr auch das Jahr der Lehman Brothers-Pleite und der anschließenden globalen Finanzkrise war.
Ein weiteres schlechtes Jahr für die Finanzmärkte war das Jahr 2000, als der Republikaner George W. Bush den Demokraten Al Gore in einem knappen Rennen besiegte. Doch dies war auch das Jahr des Technologieaktiencrashs, als die so genannte „Dotcom-Blase“ platzte.
Der Punkt ist, dass die Finanzmärkte stets dem Einfluss einer Vielzahl von Signalen und Ereignissen unterliegen – Wirtschaftsindikatoren, Gewinnmeldungen,
technologischen Veränderungen, Konsum- und Investmenttrends, regulatorischen und politischen Entwicklungen und geopolitischen Nachrichten, um nur einige zu nennen.
Selbst wenn Sie das Ergebnis einer Wahl in einem Land bereits im Voraus kennen würden, wie könnten Sie mit Gewissheit sagen, dass Ereignisse anderswo für die Märkte keine bedeutendere Rolle einnehmen werden?
Bedenken Sie auch, dass Wahlen nur eine begrenzte Anzahl möglicher Ergebnisse haben – der klare Sieg eines Kandidaten oder einer bestimmten Partei, oder aber sie haben kein eindeutiges Ergebnis. Die Märkte passen sich jedoch bereits im Voraus an diese Möglichkeiten an, um die Risiken der unterschiedlichen Ergebnisse zu handhaben. Das Ausmaß der Reaktion auf ein Endergebnis hängt dann häufig davon ab, wie stark dieses von den Konsenserwartungen abweicht.
Während wir also als Bürgerinnen und Bürger ein Interesse an Wahlen haben sollten, ist es keineswegs offensichtlich, ob diese Ereignisse auch langfristige Auswirkungen auf unsere Entscheidungen als Anleger haben.
Diese hängen vielmehr ab von unseren persönlichen Zielen, unserer Risikobereitschaft, unserem Anlagehorizont, der Struktur unserer Portfolios, dem Grad an Diversifikation und den von uns zu zahlenden Kosten.
In der folgenden Grafik sehen Sie das international breit diversifizierte Portfolio „Profi80“ mit einer Aktienquote von 80% und einem empfohlenen Mindestanlagehorizont von 9 Jahren seit dem Jahr 2010, im Vergleich zum regional begrenzten EuroStoxx50:
 
Fazit: Die vielen politischen Veränderungen und Unsicherheiten können eine stabile Aufwärtsbewegung nicht verhindern, vorausgesetzt das Portfolio ist international breit diversifiziert.
Ihr Tilmann Speck

Quellen: Dimensional, Finanzinvest, Plan F