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Sieben Wege, sich selbst zu betrügen

von | 15.06.2015

Der Philosoph Ludwig Wittgenstein sagte einmal, nichts sei für die Menschen so schwierig, als sich nicht selbst zu betrügen. Doch während die meisten Täuschungen keinen hohen Preis fordern, können solche, die Geldanlagen betreffen, einen hohen Tribut zollen.

Psychologen nennen die Tendenz, sich diejenigen Fakten auszusuchen, die zu unseren Überzeugungen passen, „Bestätigungsfehler“. Eine damit zusammenhängende, tief sitzende Tendenz, bekannt als „Rückschau-Fehler“, führt dazu, dass wir im Nachhinein Dinge als offensichtlich und vorhersehbar betrachten.
Diese Fehler bzw. Methoden, mit denen wir unser Ego vor der Realität schützen, werden bei vielen Anlegern täglich sichtbar und häufig von den Medien bestärkt.
Hier sind sieben Muster, mit deren Hilfe sich Anleger betrügen:

1. „Jeder konnte den Börsencrash kommen sehen“.
Ist Ihnen aufgefallen, wie die Menschen im
Nachhinein zu Experten werden? Doch wenn „jeder“
eine Korrektur kommen sah, weshalb hat nicht „jeder“
von ihr profitiert? Sie brauchen keine Prognosen.
2. „Ich investiere nur in ‘Blue-Chip’-Unternehmen.“
Die Menschen fühlen sich oft von Vertrautem und
von Aktien angezogen, die in ihren Augen ‚zuverlässig‘
sind. Doch das Profil eines Unternehmens und die
Frage, ob es sich um eine gute Anlagemöglichkeit
handelt, korrelieren nicht unbedingt miteinander.
Es ist besser, breit zu streuen.
3. „Ich warte auf mehr Gewissheit.“ Gefühle, die von
Volatilität getrieben werden, sind verständlich.
Nach diesen Gefühlen zu handeln kann jedoch
kontraproduktiv sein. Ungewissheit gehört zum
Anlagegeschäft dazu. Langfristig wird Disziplin belohnt.
4. „Ich kenne mich in dieser Branche aus, also kaufe ich
diese Aktie.“ Oft wird angenommen, dass Anlageerfolg
Fachkenntnisse über die betreffende Branche
voraussetzt. Doch diese Informationen sind bereits im
Kurs enthalten. Stattdessen sollten Sie dem Markt trauen.
5. „Es war eine gute Entscheidung, aber keiner konnte
das kommen sehen.“ Geht es denn nicht genau
darum? Sie können einen Aktienkauf noch so sehr
rationalisieren – Ereignisse und externe Einflüsse
können sich dennoch gegen Sie verschwören. Streuen
Sie stattdessen Ihr Risiko.
6. „Ich werde ab jetzt mein Portfolio auf starke
Volkswirtschaften beschränken.“ Die positive
Entwicklung einer Volkswirtschaft spiegelt sich
zweifellos in den Aktienkursen wider. Was Kurse
verändert, sind Nachrichten. Und Nachrichten
kommen immer unerwartet. Arbeiten Sie also mit
dem Markt.
7. „Okay, es war eine schlechte Idee, ich möchte aber
nicht mit Verlust verkaufen.“ Man kann einzelnen
Aktien zu viel Vertrauen entgegenbringen. Und wenn
man an einem verlustreichen Einsatz festhält, kann
es sein, dass man anderswo Chancen verpasst. Die
Zusammensetzung eines Portfolios bestimmt seine
Wertentwicklung.
Diese Liste ist keinesfalls vollständig. Es gibt unzählige Gelegenheiten, uns als Anleger selbst zu betrügen. Doch die Überwindung des Selbstbetrugs ist nicht unmöglich. Sie beginnt mit der Erkenntnis, dass wir als Menschen für disziplinierte Anlagegeschäfte nicht verdrahtet sind. Wir werden immer den einen oder anderen Weg finden, eine emotionale Reaktion auf Marktereignisse zu rationalisieren. Und dies ist der Grund, weshalb selbst erfahrene Anleger Berater engagieren, die sie kennen und die ihre Rahmenbedingungen, Risikobereitschaft und langfristigen Ziele verstehen. Die Rolle des Beraters ist es, uns zuzuhören, unsere menschlichen Ängste zur Kenntnis zu nehmen und uns zugleich bei der Umsetzung des Anlageplans zu helfen, für den wir uns entschieden haben.
Wir werden immer versuchen, uns selbst zu betrügen. Und um es mit den Worten eines anderen großen Philosophen zu sagen: Das Wesen der Selbstdisziplin besteht darin, erst das Wichtige anstatt erst das Dringende zu tun.

Quelle: Plan F Research, Dimensional