Was ist aktive Sterbehilfe, was passive? Hier herrscht Unsicherheit bei vielen Menschen, die eine Patientenverfügung erstellen wollen und sogar bei Ärzten. Dabei ist das in Deutschland klar geregelt.
Nürnberg. Juli 2015. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof entscheidet im Fall eines 38-Jährigen französischen Komapatienten für passive Sterbehilfe. Ihm darf die Sonde der künstlichen Ernährung entnommen werden. Ist das nun aktive Sterbehilfe oder passive Sterbehilfe? Bringen wir ein wenig Licht ins Dunkel.
Das Thema Sterbehilfe geistert vermehrt durch die deutschen Medien. Im Land herrscht Unsicherheit. In einer Umfrage gaben 60 Prozent der befragten neurologischen Chefärzte an, dass sie Angst vor den rechtlichen Folgen bei passiver Sterbehilfe haben. Zu Recht, denn sie kennen sich nicht wirklich gut aus. Knapp die Hälfte der befragten Ärzte gab fälschlicherweise die Gabe von Morphium bei Atemnot als “aktive Sterbehilfe an”, so berichtet der Stern (04.06.2015, S.46).
Was ist was? Aktive und passive Sterbehilfe
Aktive Sterbehilfe ist in den meisten Ländern verboten. Erlaubt ist sie in den Benelux-Ländern und in der Schweiz. Aktive Strebehilfe bedeutet, dass ein Arzt einem Patienten auf seinen Wunsch hin einen tödlichen Medikamentencocktail verabreicht. Erlaubte passive Sterbehilfe hingegen bedeutet, dass ein Arzt lebens- und leidensverlängernde Behandlungen nicht beginnt oder sie beendet, wenn der Patient das wünscht und es kein Therapieziel mehr gibt. “Dann führt keine der Maßnahmen zu einer Verbesserung des Zustandes des Patienten, sondern verlängert nur den Sterbeprozess”, so Dr. med. Ralf Schwab, Internistische Klinik Dr. Steger AG, Nürnberg. “Dazu gehören unter anderem Maßnahmen wie künstliche Ernährung, Beatmung und Flüssigkeitszufuhr. Behandlungen wie Dialyse, die maschinelle Blutwäsche, die Gabe von Blut oder Blutbestandteilen oder von Antibiotika, beispielsweise bei Lungenentzündungen, fallen ebenfalls darunter”, so Dr. Schwab weiter.
Um passive Strebehilfe leisten zu dürfen, muss das dem Willen des Patienten entsprechen. Ist er einwilligungsfähig, entscheidet er selbst und unterschreibt. Ist er es nicht mehr, und das ist bei schwerkranken Patienten häufig der Fall, gilt, was in der Patientenverfügung steht. Daran müssen sich Ärzte halten, sonst machen sie sich strafbar. Ist die Patientenverfügung nicht eindeutig oder nicht vorhanden, muss der mutmaßliche Wille des Patienten mit den Angehörigen ermittelt werden. So steht es seit 2009 Patientenverfügungsgesetz, BGB, § 1901a ff.
Verwirrung und Unkenntnis oder Geschäft?
In Pflegeheimen, so der Sternbericht weiter, würden Insassen oft Jahre lang gegen ihren Willen und gegen jede medizinische Indikation künstlich am Leben erhalten. So sei beispielweise die Zahl der teuren Heimbeatmungsplätze zwischen 2002 und 2012 um 35 Prozent gestiegen(1). Sogenannte Beatmungs-WGs erhalten zwischen 7.000 und 10.000 Euro im Monat pro Patient(2) – ein lukratives Geschäft. In Heimen bekämen bis zu 12 Prozent der Insassen künstliche Ernährung, nur bei einem Prozent der Betroffenen sei dies auf Wunsch des Patienten erfolgt. Hier geistert häufig die falsche Vorstellung in den Köpfen der Heimleiter, man dürfe eine einmal gelegte künstliche Ernährungssonde nicht mehr entfernen, denn das sei aktive Sterbehilfe. Bei so viel Unwissenheit und damit Unsicherheit bleibt oft als einziger Ausweg, das Heim zu wechseln. Dorthin, wo Ärzte bereit sind, dem Wunsch des Patienten, nicht künstlich am Leben erhalten zu werden, nachkommen.
“Prinzipiell darf man legal die Magensonde entfernen, Morphium bei Atemnot geben oder das Beatmungsgerät abschalten, wenn keine Aussicht auf Genesung oder ein lebenswertes Leben besteht und das dem Patientenwillen entspricht”, so Dr. Schwab. “Im Sterbeprozess und unter bestimmten Voraussetzungen ist es erlaubt lebenserhaltende Maßnahmen nicht zu beginnen und Behandlungen abzubrechen sowie Maßnahmen würdevollen Sterbens zuzulassen.”
Gut, wenn man alles rechtzeitig geregelt hat, mit einer rechtskonformen Gesamtvollmacht inklusive Patienten- und Betreuungsverfügung.